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Rückschläge

Die Unterzeichnung des CETA-Freihandelsabkommens erfolgte nicht wie geplant. Da mag sich der Gedanke einstellen: „Die Globalisierung in ihrem Lauf – gerät wohl ein wenig aus dem Tritt.“ – Ein Begriff wie derjenige der Globalisierung wird rasch herangezogen, doch wenn man sich Rechenschaft darüber geben will, was er bedeutet, droht man selbst ein wenig aus dem Tritt zu geraten, weil es sich um einen so unscharfen Begriff handelt. Zitieren wir zur Klärung eine gewissermaßen amtliche Quelle, die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb); man könnte die bpb als dem Innenministerium angegliederte Propagandaabteilung bezeichnen, fällt ihr doch gemäß dem „Erlass über die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) vom 24. Januar 2001“ nach §2 die „Aufgabe [zu], durch Maßnahmen der politischen Bildung Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern, das demokratische Bewusstsein zu festigen und die Bereitschaft zur politischen Mitarbeit zu stärken.“*

* kursiv von mir, vO, denn das hier angeführte „demokratische Bewusstsein“ dürfte äußerst eng verwandt sein mit dem „Aufstand der Anständigen (ab 2000)“ und dem daran anschließenden „Kampf gegen rechts“.

Die bpb nun greift zur Klärung des Begriffes der Globalisierung ihrerseits auf ein Politlexikon zurück und zitiert daraus: „G. ist eine politisch-ökonomische Bezeichnung für den fortschreitenden Prozess weltweiter Arbeitsteilung.“ Mit der „Arbeitsteilung“ wird ein dem der Ökonomie zugehöriges Phänomen genannt, und darauf beschränken sich auch die anschließenden Ausführungen des kurzen Artikels der bpb. Der politische Faktor der Globalisierung – handelt es sich doch nach der bpb um „eine politisch-ökonomische Bezeichnung“ – bleibt unreflektiert. Lediglich ein Verweis auf das Stichwort „Wirtschaftspolitik“ ist dem Artikel angefügt; darin geht es um politische Konsequenzen aus den beiden verschiedenen Konzepten einer angebots- und einer nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik. Dem ist jedoch noch ein Absatz hinzugefügt, der aufhorchen läßt: „Im Rahmen der weltweiten Öffnung der Märkte (Globalisierung), zunehmender internationaler Absprachen, Handelsabkommen etc. und der fortschreitenden Integration Europas gestalten sich isolierte wirtschaftspolitische Maßnahmen einzelner Staaten zunehmend schwieriger, v. a. aber sinken deren Erfolgsaussichten drastisch.“ M.a.W. gilt – zumindest in bezug auf Europa – der einzelne Nationalstaat als nicht mehr zeitgemäß; er ist gezwungen, mit anderen Staaten gemeinsame Sache zu machen, statt sich etwa „der fortschreitenden Integration Europas“ in den Weg zu stellen.* Dies verweist auf Die EU, und so gelangt unsere Reflexion wiederum zu CETA, denn dieses Freihandelsabkommen wurde nicht etwa von den Mitgliedsstaaten der EU in Verhandlungen mit Kanada formuliert, sondern in Geheimverhandlungen der EU mit Kanada, die 2009 anhoben, als Obama US-Präsident geworden war; der Bundesregierung wurde der fertige Text – zumindest offiziell – erst 2014 zugesandt.

* Beigegeben ist dem Ganzen die Darstellung einer „Pyramide gesellschafts- und wirtschaftspolitischer Ziele“, die eigens zu betrachten wäre.

An Hand dieses Beispiels wird deutlich, daß der politische Faktor der Globalisierung die seit dem 20. Jahrhundert entstandenen supranationalen Institutionen auf irgendeine Weise impliziert. – Schauen wir auf ihren historischen Beginn, den nach dem Ende des 1. Weltkrieges gegründeten Völkerbund: Er wurde auf Anregung des US-Präsidenten Wilson* ins Leben gerufen; freilich traten ihm die USA anschließend nicht bei, weil der Kongreß den Verailler Vertrag nicht ratifizierte, der die Gründung des Völkerbundes einschloß. Doch wie sehr eine solche supranationale Institution dem Interesse nicht isolationistisch gesinnter Kreise in den USA entsprach, zeigte sich während des 2. Weltkrieges, da der damalige US-Präsident** den Aufbau der UNO, der United Nations Organization, plante und dieses Vorhaben endgültig nach Kriegsende verwirklichte.

* 1913 – 1921

** Roosevelt; 1933 – 1945

Zu dem, was unter Globalisierung verstanden wird, gehören jedenfalls die – ohne Freihandel nicht mögliche – immer weitgehendere internationale Arbeitsteilung sowie die – mit der Politik der USA verbundenen – supranationalen Institutionen. – Gerät ein Projekt wie CETA, ausgehandelt durch das ökonomisch von den USA abhängige Kanada* und die supranationale Institution der EU ins Stocken, dann wird in diesem Bereich die Globalisierung abgebremst.

* Das Auswärtige Amt teilt mit: „Alle Wirtschaftszweige [Kanadas] sind in erheblichem Maß exportabhängig, wobei die USA der mit Abstand größte Handelspartner ist.“

Schauen wir, nachdem der Begriff der Globalisierung ein wenig präzisiert worden ist, wie sie anderswo vorankommt, so zeigen sich im Oktober 2016 auch dort einige Verlangsamungen oder gar Rückschritte. In den UN werden die Menschenrechtsverletzungen der Verteidiger Mossuls ebenso beklagt wie diejenigen der Belagerer Aleppos: Während die eine Stadt vom Bösen befreit wird, droht die andere in die Hände von Übeltätern zu fallen. Dem entsprechend möchte die UN letzteres verhindern, doch es will nicht gelingen: Im UN-Sicherheitsrat blockiert das Veto Rußlands wirksame Maßnahmen gegen Syrien. Daher erwägt man jetzt auf seiten der UN eine „Special Emergency Session“; einer solchen müßte die Hälfte aller Mitglieder der Generalversammlung zustimmen, und eine Zweidrittelmehrheit wäre nötig, damit eine „Uniting for Peace – Resolution“ angenommen wird. Im Jahre 1950 gelang es damit, die Blockade der UdSSR im Sicherheitsrat zu überwinden, um in den Korea-Krieg* einzugreifen. Doch im Jahre 2016 scheint auch solches nicht mehr zu gelingen.

* 1950 – 1953

Die Krise der supranationalen Institutionen zeigt sich auch an anderer Stelle. Mit Burundi, Südafrika und Gambia haben innerhalb des Monats Oktober drei afrikanische Staaten angekündigt, den Internationalen Strafgerichtshof mit Sitz in Den Haag (ICC) nicht mehr anzuerkennen. – Da nun, wie oben bemerkt, supranationale Institutionen und USA miteinander – wie auch immer – verbunden sind, ist es nicht uninteressant zu beobachten, daß einst treue Vasallen der USA von der Fahne gehen und sich neue Schutzmächte suchen. Die Türkei nähert sich zunehmend Rußland an und die Philippinen China.

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