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Aktuelle Notiz (10. Nov. 2016)

Ebenso wenig, wie die Geschichte einer inneren Gesetzmäßigkeit unterworfen ist, gibt es eine exakte Wiederholung von Geschehenissen. Wenn Marx also im „18. Brumaire“* unter Verweis auf Hegel schreibt, daß sich „alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen…zweimal ereignen… das erste Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce“,** dann läßt sich dies allenfalls insoweit übernehmen, als Vergleiche angestellt werden können, da bestimmte Konstellationen einander ähneln.

* Höchst bemerkenswert erscheint mir darin das, was Marx in bezug auf Napoleon III. anmerkt hinsichtlich des bei seiner Machtergreifung u.a. als Jubel- und Prügeltruppe genutzten Lumpenproletariats sowie die Urform der es betreuenden Sozialindustrie, die Wohltätigkeitsgesellschaft von 1849, deren „Mitglieder…das Bedürfnis fühlten, sich auf Kosten der arbeitenden Nation wohlzutun.“ Brumaire, Kap. V.

** Brumaire, Kap. I. Marx schreibt ebd.: „So maskierte sich Luther als Apostel Paulus, die Revolution von 1789 – 1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik und als römisches Kaisertum…“. Dies weist darauf hin, daß wir nie gänzlich voraussetzungslos an eine Unternehmung herangehen, sondern uns stets auf die früher gemachten Erfahrungen beziehen, auf die Tradition, an die wir irgendwie anknüpfen, bewußt oder unbewußt.

Marx verglich den 2. Dezember 1851, an dem Napoleon III. erfolgreich seinen Staatstreich unternahm, mit dem 18. Brumaire bzw. dem 9. November 1799, dem Tag der Machtergreifung Napoleons I. – Am 9. November 2016 wurde der Sieg Trumps in der US-Präsidentschaftswahl bekanntgegeben, und dies erinnert mich an Gorbatschow, der sich als neuer Generalsekretär der KPdSU seit 1985 von seinen Vorgängern nicht etwa allein auf Grund seines Alters unterschied, sondern vor allem durch seine Pläne zur Rettung des Sozialismus durch dessen Reformierung; Trump fordert in vergleichbarem Sinne: „Let’s make America great again!“ Laßt uns [US-]Amerika wieder zu alter Größe erheben! Übrigens hatte denselben Slogan bereits Reagan erfolgreich im US-Präsidentschaftswahlkampf 1980 verwendet. Reagan stand als US-Präsident dem KPdSU-Generalsekretär Gorbatschow gegenüber wie Trump Rußlands Präsidenten Putin, nur daß jetzt die Rollen vertauscht sind: Derjenige, der sein Land reformieren will, ist nun der Repräsentant des Westens, während es in den achtziger Jahren derjenige des Ostblocks war.

Gorbatschows Forderungen Perestroika und Glasnost, Umgestaltung und Transparenz, stießen bei der Führung der DDR auf Ablehnung. Dort lebte man in einer Phantasiewelt ideologischer Verblendung und war sich anscheinend nicht mehr im Klaren darüber, daß die eigene Herrschaft letztlich auf Waffengewalt in Gestalt der sowjetischen Armee beruhte, wie es sich am 17. Juni 1953 doch überdeutlich gezeigt hatte. In der DDR glaubte man, sich abgrenzen und eine eigene Westpolitik betreiben zu können, die sich im Staatsbesuch Honeckers in der BRD (1987) offenkundig machte. Wenn sich die UdSSR vom real existierenden Sozialsmus abkehrte, dann veröffentlichte man deren Verlautbaren im „Neuen Deutschland“ eben nur zensiert, so bei Gorbatschows Rede vor dem ZK der KPdSU Ende Januar 1987 „Über die Umgestaltung und die Kaderpolitik der Partei“, in der es hieß: „Wir brauchen die Demokratie wie die Luft zum Atmen.“ – Dies erinnert wiederum an die Haltung der Bundesregierung angesichts der Wahl des sich globalisierungskritisch gebenden Trump zum nächsten US-Präsidenten. Die Kanzlerin bietet ihm Zusammenarbeit an unter der Voraussetzung seiner Beachtung der [globalistisch verstandenen] Werte an und zählt auf: Demokratie, Freiheit, den Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung[, wenn sie der Politischen Klasse entspricht; schließlich hat jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern, nur – wenn es die verkehrte ist, dann ist er für die Folgen, die dies nach sich zieht, selbst verantwortlich. Dem entsprechend] kündigt der Justizminister – sozusagen schriftlich stammelnd – an, die Unterdrückung oppositioneller Regungen zu intensivieren: „Wahl von Trump ist bittere Warnung. Müssen Ursachen für Angst,Hass u Abschottung noch entschlossener bekämpfen…“

Eine Globalisierung, die einen zunehmenden Teil der nationalen Bourgeoisie samt Bauernschaft etc. ruiniert oder sie zu Handlangern von Großkonzernen herabwürdigen will, und die Werktätige zu mehr oder weniger gut bezahlten Wanderarbeitern oder sogar zu Tagelöhnern und Arbeitslosen degradiert, die mit einigem Konsum zufriedengestellt werden sollen, wird immer weitere Wähler den sog. Populisten zuführen. – Die etablierte Politische Klasse Restdeutschlands samt ihrem Anhang erkennt in ihrer Vermessenheit die Zeichen an der Wand nicht und glaubt bis in fernste Zeit fortfahren zu können, wie sie es gewohnt ist.

Als der geschichtliche Wandel und die sich immer weiter auftuende Kluft zwischen politischer Ideologie und konkreter Wirklichkeit nicht mehr zu leugnen waren, wurde Genosse Krenz 1989 installiert, dessen Zeit rasch verstrich. Ob sich Vergleichbares ereignen wird?

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