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Rückblick auf ein arges Jahr (2)

Der Februar

Meinungsumfragen zeigten Anfang Februar, daß über 80% der Bürger der Ansicht waren, die Bundesregierung habe die Situation hinsichtlich der „Flüchtlingsfrage“ nicht „im Griff“. Daher sahen sich die Regierungsparteien vor die Aufgabe gestellt, einerseits ihre Politik weiter zu verfolgen und andererseits der Kritik zu begegnen, um das eigene Ansehen wieder zu heben. Dem entsprechend hatte die Bundeskanzlerin bereits Mitte Januar erklärt: „Es ist Aufgabe der Bundesregierung und natürlich auch meine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass wir es möglichst schnell so hinbekommen, dass die Menschen den Eindruck haben, es wird geordnet und gesteuert, aus Illegalität wird Legalität gemacht.“ So wurde Anfang Februar das „Asylpaket II“ beschlossen, das u.a. schnellere Abschiebungen vorsah, doch wer hätte deshalb tatsächlich spürbare Veränderungen erwartet?

Angesichts im März anstehender Landtagswahlen (Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt) sahen sich die Regierungsparteien außerdem dazu herausgefordert, vor allem auf Landesebene den Anschein oppositioneller Regungen gegen die Regierungspolitik zu erwecken; die Kanzlerin war deshalb im Wahlkampf vor Ort wenig willkommen. Ihr warf der CSU-Vorsitzende angesichts fortgesetzten Rechtsbruches „eine Herrschaft des Unrechts“ vor, ohne freilich naheliegende Konsequenzen daraus zu ziehen. „Junge Wilde“ sammelten sich in der CDU, um die Politik der Kanzlerin zu kritisieren; so forderten die Spitzenkandidaten der CDU für Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz angesichts der Lage nationale Maßnahmen, „Herz und Härte“. Selbst das ging Sachsen-Anhalts CDU-Ministerpräsidenten schon zu weit, so daß er die Erklärung nicht mittrug. – Die SPD suchte im Gegensatz zur CDU die Bundesregierung von links zu kritisieren und griff das „Asylpaket II“ nachträglich an.

Wirkliche Opposition wurde gleichzeitig als „rechtspopulistisch“ o.ä. stigmatisiert, und damit jeder sehe, zu welchen Untaten Anhänger solchen Gedankenguts fähig sind, wurde jeder Steinwurf in Richtung einer „Flüchtlings“-Unterkunft als Angriff und Kennzeichen einer Pogromstimmung gedeutet; Leipzigs Polizeipräsident gab in diesem Sinne zu Beginn des Monats Februar ein Zeitungsinterview. – Großes Aufsehen erregte eine Demonstration vor einem in Clausnitz eintreffenden Omnibus voller Refugees. „t-online“ titelte: „Rechter Mob zeigt hässliche Fratze“.

Die politische Isolierung Merkels innerhalb der EU verdeutlichte sich; ihre erhoffte Koalition der Willigen, die die Refugees unter sich aufteilen sollten, bestand aus der BRD und Luxemburg, kaum mehr. Österreich hatte im Januar die Obergrenze beschlossen und geriet nun in einen diplomatischen Konflikt mit dem seine Refugees „exportierenden“ Griechenland, der zur Abberufung des griechischen Botschafters aus Wien führte. Frankreich erteilte eine Absage, und Großbritannien – vor der Brexit-Abstimmung im Juni – zeigte sich reserviert. Die Slowakei lehnte Merkels Pläne offen ab. Polen kritiserte Merkel im Februar ohnehin. Ungarns Haltung war bekannt; in einer Rede zur Lage der Nation sprach der Ministerpräsident mit Blick auf die Asylpolitik einiger europäischer Staaten von Flucht vor der Realität und einem „politischen Kokainrausch“. Vertreter Tschechiens, der Slowakei, Polens und Ungarns tagten gemeinsam in Prag. – Allein die Obama-Administration lobte Merkels Politik, ohne allerdings die Übernahme von Millionen oder auch nur Tausender Refugees zu signalisieren.

Ende Februar meldeten die Medien bereits Merkels wieder ansteigende Beliebtheit. – Professor Schachtschneiders Verfassungsbeschwerde gegen die Einwanderungspolitik der Bundesregierung lag dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seit Anfang Februar vor und wurde nicht einmal drei Wochen später abgewiesen, indem man ihn nicht zur Entscheidung annahm.

Erdogan, der Präsident der in die EU drängenden Türkei, gab sich selbstgewiß: Er könne den Strom der Fluchtwilligen doch nicht aufhalten. Sie machten sich eben auf den Weg – jedenfalls so lange, bis er seine Forderungen gegenüber der EU durchgesetzt habe, wird man sinngemäß ergänzen dürfen. – Die vom Visum befreite Einreise von Türken in die EU zeichnete sich als Forderung Ankaras ab.

[dritter, vierter und fünfter Absatz erweitert, 3. Jan.]

[vorletzter Absatz neu aufgenommen; 4. Jan.]

 

 

 

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