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Ein Unternehmer als US-Präsident

In irgendeiner Sendung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks der BRD wurde nach der Amtseinführung Donald Trumps* angemerkt, er sei eben ein Unternehmer und betrachte den Staat nach dem Umzug vom Trump-Tower ins Weiße Haus als gewissermaßen sein neugewonnenes Unternehmen. – Diese Bemerkung war kaum tiefgründiger gedacht, sondern sollte nur einen weiteren Aspekt zur Bereicherung der unablässigeren Kritik am neuen US-Präsidenten bilden, der die USA wie sein persönliches Eigentum – um nicht zu sagen: Beute – betrachte, während man sich sonst allzu oft darauf konzentriert nachzuzählen, wieviele nicht-weiße Nicht-Frauen einem Kabinett angehören o.ä.

* geb. 1946; US-Präsident ab 2017

Westliche Politiker in Spitzenpositionen waren zuvor an der Universitäten tätig, vorzugsweise als Juristen; möglicherweise wirkten sie auch eine Zeit lang als Anwalt. Manche späteren Politiker sind vielleicht in einem Unternehmen tätig gewesen sein, aber – anders als im Falle Trump – gehörte es ihnen nicht.  Ins Besondere in den USA machten auch Politikwissenschaftler in der Politik Karriere, die zusätzlich Juristen sind, so der ehemalige US-Präsident Obama* und der Außenminister seines zweiten Kabinetts, John Kerry**. – Insofern bildet Trump, der Wirtschaftswissenschaften studierte, das väterliche Unternehmen übernahm und es erfolgreich weiterführte, als Politiker in einem so hohen Amt tatsächlich eine sehr bemerkenswerte Ausnahme, denn der Vorgänger Obamas, George W. Bush*** war zwar auch als Unternehmer tätig gewesen, doch da seine Firma von der Harken Energy Corporation, einer Aktiengesellschaft, aufgekauft wurde, erhielt Bush einen Direktorenposten; dazu ist noch anzumerken, daß diese Gesellschaft in den neunziger Jahren wegen des Vorwurfes von Insider-Geschäften an der Börse in einen Skandal verwickelt wurde.**** Bereits Bushs Vater***** war als Unternehmer in der Erdölbranche tätig gewesen; seine Firma Zapata Oil wurde von ihm 1953 zusammen mit einem – angeblich ehemaligen – CIA-Agenten gegründet, und sie soll, Gerüchten nach, zur Tarnung geheimdienstlicher Aktivitäten gedient haben; jedenfalls wurde Bush sen. 1976 CIA-Direktor.

* geb. 1961; US-Präsident 2009 – 2017

** geb. 1943

*** geb. 1946; US-Präsident 2001 – 2009

**** sog. Harken Energy Scandal – Es konnte der Harken Energy Corporation nichts Gesetzwidriges nachgewiesen werden; Bushs gewinnträchtige Ver- und Ankäufe eigener Aktien im Jahre 1990 bleiben gleichwohl bemerkenswert.

***** George Herbert Walker Bush; geb. 1924; US-Präsident 1989 – 1993

Ohne dies weiter zu verfolgen wird klar, daß Trump als Unternehmer tatsächlich eine Ausnahme ist;* die Bushs gehören in eine anderen Bereich, den von Staatsapparat** und Finanzkapital. Schon Großvater Prescott Bush*** war u.a. Vize-Präsident einer Investmentbank und später Politiker gewesen. – Den tiefgreifenden Unterschied zwischen dem Unternehmer als einem Besitzer von Produktionsmitteln und dem Geldkapitalisten bzw. Investor hat bereits der jüdisch-österreichische Arzt und Nationalökonom Rudolf Hilferding**** erkannt; der Wechsel vom einen zum andern vollzog sich dadurch, daß der Unternehmer seinen Betrieb in eine Aktiengesellschaft umwandelte und die Leitung deren Vorstand überließ. Fortan kaufte der ehemalige Unternehmer vor allem Aktien, um sein Geldvermögen zu vermehren. „Man sieht, die Trennung der Unternehmerfunktion…ist zugleich eine Verwandlung des industriellen Kapitalisten zum Aktionär, zu einer besonderen Sorte von Geldkapitalisten…“***** Dieser Wandel ging einher mit dem Übergang vom Konkurrenzkapitalismus zum Monopolkapitalismus auf nationaler Ebene um die Zeit des 1. Weltkrieges (1914 – 1918). Seit dem Beginn der Globalisierung des Monopolkapitalismus (nach 1945) gerät die Unternehmerschaft der einzelnen Nationalstaaten in einen objektiven Interessengegensatz zu den multinationalen Konzernen, Aktiengesellschaften, die in einer Symbiose mit dem Finanzkapital existieren, und dieses Doppelgebilde ist, wie oben am Beispiel der USA anzudeuten versucht wurde, auch mit dem Staatsapparat sowie den etablierten politischen Parteien zu einem System verflochten, zu dem auch die Qualitätsmedien gehören. Vor diesem Hintergrund betrachtet gewinnt die eingangs erwähnte, als Kritik verstandene Anmerkung in einer Rundfunksendung, Trump sei ein Unternehmer und betrachte den Staat als gewissermaßen sein neugewonnenes Unternehmen, sehr viel tiefere Bedeutung.

* Am ehesten vergleichen läßt er sich mit Carter (geb. 1924; US-Präsident 1977 – 1981), der zwar als Offizier dem Staatsapparat angehörte, doch später den väterlichen Landwirtschaftsbetrieb übernahm und als einziger US-Präsident seit 1945 in keine Kriegshandlungen involviert war; nur 1980 versuchte er vergeblich, durch eine militärische Aktion die im Iran als Geiseln gehaltenen Botschaftsangehörigen seines Landes zu befreien; unter Trump hingegen sind US-Marines z.Z. in Syrien an Kampfhandlungen beteiligt.

** In der jüngeren Vergangenheit waren einige spätere US-Präsidenten stattdessen in NGOs tätig, so Obama (zweite Hälfte der achtziger Jahre) und Clinton (Anfang der siebziger Jahre; geb. 1946; US-Präsident 1993 – 2001)

*** geb. 1895, gest. 1972

**** geb. 1871, gest. 1941 (in GeStaPo-Haft durch angeblichen Selbstmord); sein Hauptwerk ist „Das Finanzkapital. Eine Studie über die jüngste Entwicklung des Kapitalismus (1910)“

***** Das Finanzkapital, Zweiter Abschnitt: Die Mobilisierung des Kapitals. Das fiktive Kapital, VII. Kapitel: Die Aktiengesellschaft, 1. Dividende und Gründergewinn

[„Seit dem Beginn…der einzelnen Nationalstaaten in einen objektiven Interessengegensatz zu den multinationalen Konzernen“ statt  „Vor allem seit dem Beginn…in den einzelnen Nationalstaaten in einen Gegensatz zu multinationalen Konzernen“ (10. März)]

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